Weinvielfalt oder Freude über alles Erdenmaß
Seit Anbeginn der Zeit haben wir Menschen aus dem, was wir in der Natur gefunden haben, Alkohol hergestellt. Doch kein alkoholisches Getränk hat je die gleiche Beliebtheit und Exklusivität erreicht wie der Wein. Wann immer es etwas zu feiern gibt –Hochzeiten, Geburtstage, Erntedank – immer ist auch Wein aus den verschiedensten Rebsorten mit dabei, um die köstlichsten Mahlzeiten zu begleiten.
Aber auch bei ungezwungenen Anlässen, wie einem gemütlichen Freitagabend mit Freunden, ist Wein diese magische Substanz, die ein einfaches Abendessen in ein Festessen verwandelt.
Weißwein, Rotwein oder Rosé, es gibt immer die perfekte Flasche Wein und die richtige Rebsorte, um ein gutes Essen hervorzuheben.
Ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis
Bis vor nicht allzu langer Zeit habe ich den Geschmack von Wein gehasst. Aber ich ließ nicht nach und versuchte immer wieder, Schluck für Schluck, den Geschmack von Wein für mich zu entdecken.
Und dann, an einem Weihnachtstag, kam dieser erhellende Moment für mich.
Die weißen Tischdecken, die meine Oma nur für Feste aus dem Schrank nahm, waren wunderschön mit Kerzen, Äpfeln, Nüssen und aromatisch duftenden Tannenzweigen geschmückt. Das Essen war lecker, die Atmosphäre fröhlich und entspannt… und dann war da dieser Wein.
Dunkel, fast schwarz war seine Farbe. Mein Onkel hatte ihn aus seinem Urlaub in Spanien mitgebracht (leider erinnere ich mich nicht mehr an den Namen dieses Weines!). Ich nahm einen Schluck und dachte sofort: Kakao. Dieser Wein hatte ein deutliches, aber unglaublich angenehmes Schokoladenaroma!
Weinvielfalt, Rebsorten & Geschichte
Wein ist mehr als nur ein alkoholisches Getränk. Es ist ein Getränk verschiedenster Geschmacksnuancen mit einer bewegten Geschichte. Aber in erster Linie ist er verwandelte Traube, aus der Kraft und Stärke, Delikatesse und Fröhlichkeit wurden.
Darf ich dich auf eine Reise einladen, auf der wir die Magie hinter Rebsorten & Wein erkunden?
Von der Traube zum Wein
Beginnen wir mit einem Tag der Weinlese im Herzen Istriens, Kroatien.
Brtonigla, oder Verteneglio auf Italienisch, ist eine kleine, malerische Stadt nicht weit entfernt von der Adriaküste. Hier, auf den sanft geschwungenen, grünen Hügeln Istriens, ziehen sich endlose Weinberge und Olivenhaine durch die Landschaft. Es ist ein warmer Tag im September, als ich mich aufmache, um an der Weinlese teilzunehmen. Eine freundliche, hübsche Frau mit markanten Gesichtszügen und dunkelbraunen Augen, führt mich zum Weinberg, wo die anderen Arbeiter bereits mit der Ernte beschäftigt sind.
Schnell finde ich mich zurecht in den mechanischen Bewegungen der Lese: Trauben heraussuchen, per Hand abschneiden und in die blauen Kisten auf dem Boden werfen. Fasziniert lausche ich den Gesprächen der anderen Arbeiter, die ich nicht ganz verstehen kann, weil sie auf Italienisch reden.
Willkommen im Land des Weins!
Später, am Mittagstisch, finde ich dann heraus, wer hier wer ist. Mit einem köstlichen, typisch istrischen Pastagericht (und natürlich dem eigenen Wein!), werde ich in der Truppe herzlich willkommen geheißen.
Begleitet von den italienischen Arbeitsliedern eines älteren Erntehelfers setzen wir dann unsere Arbeit am Nachmittag fort. Die körperliche Anstrengung macht nach einigen Stunden müde. Doch die netten Gespräche der Erntehelfer und der herrlich sonnige Herbsttag machen die Arbeit angenehm.
Während sich die Sonne westwärts über die wunderschöne istrische Landschaft bewegt, erzählt mir der Sänger der Erntegruppe von alten istrischen Obst- und Olivensorten, die sie früher hier angebaut haben. Nur aus seiner eigenen Erfahrung erzählt er mir Dinge, die ich an der Universität während meines Studiums der Agrarwissenschaften gelernt habe. Lokal angepasste Sorten gedeihen in ihrer ursprünglichen Umgebung am besten, so kennt er das von seinen Vorfahren. Und wie Recht hat er: Istrische Sorten wachsen am besten in Istrien!
Rebsorten: Der Stolz Istriens
In der Tat ist auch das der Stolz von Veralda, dem Weingut, in dem ich geholfen habe: die Wiederbelebung alter istrischer Rebsorten, um aus ihnen richtigen istrische Wein zu machen. Refosco, Teran und Malvasia machen sich langsam einen Namen in der Weinszene. Diese alten Rebsorten wurden seit Jahrhunderten auf istrischem Boden angebaut. Doch erst in den letzten Jahrzehnten kam ein neu entfachtes Interesse der Erzeuger und Weintrinker für diese traditionellen Sorten auf.
Für Kleinbauern in einem winzigen Land wie Kroatien ist es schwierig, mit großen und etablierten Winzern aus Kalifornien oder Frankreich zu konkurrieren. Aber langsam verbreitet sich der gute Ruf kroatischer Winzer. Immer mehr Weinliebhaber entdecken, dass kroatische Weine etwas Einzigartiges zu bieten haben!
Tatsächlich hat sich das Weingut Veralda in den vergangenen Jahren an der Spitze der weltbekannten Winzer etabliert. Im Jahr 2016 gewann ihr Rotwein aus der istrischen Rebsorte Teran den renommierten “Platinum Best in Show” Award und wurde damit zum besten Rotwein der Welt gekürt.
Warum traditionelle Rebsorten?
Doch die Herstellung von Wein aus lokalen Rebsorten hat mit viel mehr als mit Tradition und Stolz zu tun. Lokale Sorten sind resistenter gegen Krankheiten als andere, internationale Sorten. Sie eignen sich am besten für ihr lokales Klima und tragen Reben mit einzigartigen, vielfältigen und spannenden Aromen.
Aromen, die verloren gehen würden, wenn es nicht Winzer gäbe, die treu und entschlossen die alten Rebsorten weiter anbauen.
Dazu kommt, dass der Anbau traditioneller Sorten eine wesentliche Voraussetzung für den ökologischen Weinanbau ist. Es bedeutet im Grunde, dass weniger Pflanzenschutzmittel oder andere Inputs benötigt werden, um die Traube vor Pflanzenkrankheiten zu schützen.
Verwalter der Schöpfung
Ökologisch, das ist Teil von Veraldas Philosophie, da sie es als eine Möglichkeit sehen, ihr Land nachhaltig zu bewirtschaften und die biologische Vielfalt zu fördern. Ich hätte allein schon vom Anblick her ahnen können, dass der Weinberg mit seiner vielfältigen Flora, die zwischen den Weinreihen wuchs, ökologisch ist.
Man könnte sie auch Unkraut nennen, aber hier sind sie, Gräser und Kräuter aller Art, die Heimat und Nahrung für Insekten, Vögel und andere Geschöpfe bieten. Sogar die beliebte Rukola wächst manchmal wild zwischen den Reben als “Unkraut”, wie mir eine Mitarbeiterin anvertraut. Bunte Artenvielfalt in Aktion!
Zwischen Tradition & Moderne
So bodenständig und rustikal die Weinberge auch sein mögen, die Weinverarbeitungsausrüstung, die ich später bewundern werde, ist umso moderner. Olga, genauso hübsch wie ihre Mutter, ist die Tochter des Hauses und studierte Önologin. Sie zeigt mir am Nachmittag den Weinkeller von Veralda. Glänzende Hightech in Kombination mit gereiften Eichenfässern sind die perfekte Kombination für die Herstellung hochwertiger Weine. Die ambitionierte Winzerfamilie verbindet traditionelles Wissen mit neuen und effizienteren Maschinen.
Doch für mich das Faszinierendste, was Olga mich während meiner kleinen Tour sehen lässt, ist ein riesiges Fass, das eine weißliche Flüssigkeit mit Luftblasen enthält.
Das sind unsere Hefen, erklärt Olga in ihrer fachmännischen, aber freundlichen Art.
Ohne Hefen gäbe es keinen Wein. Hefen sind mikroskopische Organismen, die sich natürlicherweise auf der Schale der Trauben befinden. Wie auch bei Brot oder Bier ist es die Hefe, die für die Umwandlung, in diesem Falle von der Traube zum Wein, verantwortlich ist. In einem Prozess, der als Fermentation oder Gärung bezeichnet wird, wandeln sie die Zuckermoleküle in der Traube in Alkohol um. Und sie sind entscheidend für die Qualität des Endprodukts.
Selbst die besten Trauben ergeben keinen guten Wein, wenn der Gärungsprozess nicht gut verläuft.
Gute Hefekulturen sind also unerlässlich, um das feine Aroma von Wein zu schaffen, nach dem wir uns sehnen.
Und genau wie im Weinanbau wählen die Winzer von Veralda Hefen einer alten istrischen Rebsorte, um ihre traditionellen Weine herzustellen. Hefen aus Malvasia Trauben, um genauer zu sein.
Weinverkostung
Natürlich hätte der Tag nicht besser enden können, als den begehrten Wein auch zu verkosten. Olga gießt mir ein Glas des golden schimmernden Malvasia Weißweins ein und erzählt mir, wie professionelle Kenner Wein verkosten.
Zuerst die Augen: Wie sieht der Wein im Glas aus?
Dann die Nase. Sanft das Glas in der Hand schwenkend, atme ich tief das Aroma des Weines ein. Der Duft schafft Erwartungen an den endgültigen Geschmack des Wein.
Und ein guter Wein enttäuscht nicht.
Mit geschlossenen Augen nehme ich einen Schluck von der kühlen Flüssigkeit. Frisch, spritzig, mit einer fruchtigen Note, gleitet der Schluck wie ein Mittsommertraum meine Kehle hinunter.
Müde, aber glücklich, gehe ich am Ende des Tages wieder nach Hause. In meinem Kopf dreht sich alles vor lauter neuer Ideen, meine Finger kribbeln, um das Gelernte und Erlebte aufzuschreiben. Und mein Gaumen ist voller Vorfreude darauf, die unglaubliche Vielfalt zu verkosten, die Wein zu bieten hat.
Das Geheimnis des Weins
Am Ende bleibt der Wein ein wenig ein Rätsel. Obwohl die Weinrebe nicht gerade die stattlichste Pflanze ist, hat sie tiefere Wurzeln als die meisten Bäume. So bringt sie reinstes Wasser aus der Tiefe und streckt ihre verdrehten, knorrigen Äste der heißen, istrischen Sonne entgegen. Das ganze Jahr über beschnitten, versorgt und verwöhnt, produziert sie ihre süßen Früchte, nur um zum Schluss von mikroskopischen Kreaturen in ein adstringierendes, aber aromatisches Getränk verwandelt zu werden. Am Ende entsteht ein Getränk, das die Laune hebt, Freude macht und sogar als Aphrodisiakum dienen kann.
In der Tat ist es wahr, was Romano Guardini in seinem herrlichen Gedicht schrieb:
Brot ist uns Christus geworden und Wein. Wein ist Kühnheit, Freude über alles Erdenmaß, Duft und Schönheit, Weite und Gewähren ohne Grenzen. Rausch des Lebens und Besitzens und Spendens…
Und der beste Weg, um diese außergewöhnliche Weinvielfalt zu erhalten, ist – sie zu trinken!
Wähle guten Wein aus lokalen Traditionssorten, unterstütze nachhaltig produzierende Winzer und erfreue dich an der Vielfalt des Geschmacks.
Was ist dein Lieblingswein? Welche Sorten liegen dir besonders am Herzen?
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