Was Du Säst, Das Wirst Du Auch Ernten

Für meine liebe Gärtnerin und Freundin Edita

Ich saß eines Montags im Zug und aß die letzten Heidelbeeren, die sie zurückgelassen hatte. Während dieser neunstündigen Reise hatte ich viel Zeit zum Nachdenken über all das, was in den letzten Tagen so passiert war. Erst gestern, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, ist meine liebe Freundin gestorben. Ich hatte sie tatsächlich nur einige Tage gekannt, aber in dieser kurzen Zeit ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. 

Eine besondere Begegnung

Sie litt schon seit anderthalb Jahren an Krebs, doch ihre Lebensfreude blieb unvermindert. Immer noch voller Pläne für die Zukunft war sie in Deutschland auf Reisen, als es ihr plötzlich sehr schlecht ging.

Wie der “Zufall“ es so wollte (an Zufälle glaube ich nicht!), wurde sie genau in der Stadt, in der ich lebte, ins Krankenhaus eingeliefert, nur wenige Minuten entfernt von meiner Wohnung.

Ich hatte diese Frau, eine  Freundin meiner Mutter, vor einigen Jahren sehr kurz kennengelernt. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich nämlich noch in Kroatien, unserer beider Heimatland. Als ich nun erfuhr, dass sie hier im Krankenhaus lag, brauchte ich nicht lange zu überlegen, um zu ihr zu gehen und sie zu besuchen. 

Foto von Marisa Harris

Leicht nervös beim Betreten des Krankenhauses war ich auf alles vorbereitet, nur nicht auf das, was mich in ihrem Zimmer erwartete.

Sie saß aufrecht im Bett, ganz dünn und grauhaarig mit ihren 51 Jahren, und redete gerade mit einer Freundin am Handy. Auch wenn ich nicht wusste, worum es in dem Gespräch ging, erinnere ich mich, dass ihre Worte so fröhlich, so ermutigend und so besorgt um die Probleme ihrer Gesprächspartnerin klangen.

Als sie ihr Gespräch beendet hatte, schaute sie mich mit einem breiten Lächeln an und fragte mich, aufrichtig interessiert, wie es mir und meiner Familie ging. Ich schaffte es kaum sie zu fragen, wie es ihr eigentlich ging, da erzählte sie von einer jungen Krankenpflegerin, mit der sie sich in den letzten Tagen schon angefreundet hatte. 

Sind sie nicht wunderbar?

Wie es sich herausstellte, war ihr Zustand alles andere als hoffnungsvoll. Da sie Chemotherapie schon hinter sich hatte, konnten die Ärzte nun nicht mehr viel für sie tun. Der sich ausbreitende Tumor drückte auf ihren Bauch und löste dabei starke Schmerzen und Übelkeit bei ihr aus. Sie wurde nur noch künstlich ernährt, denn sie konnte nicht mehr normal essen.

Nichts mehr, außer – Heidelbeeren. Diese leichten, wunderbar farbigen, feinen Früchte passten so perfekt zu ihren Bedürfnissen wie nichts anderes. Sie freute sich so an ihnen, als ich ihr einige ins Krankenhaus brachte. Dankbar und nachdenklich bemerkte sie:

“Hat Gott sie nicht wunderbar geschaffen?”.

Foto von Couleura

Lebensgeschichten

In den folgenden Tagen kam ich oft zu ihr zu Besuch, ausgerüstet mit Heidelbeeren und Kräutertee. Als es ihr noch einigermaßen gut ging, erzählte sie mir ein wenig aus ihrem Leben, und ich erzählte ihr von meinem.

Sie erzählte mir eine Geschichte aus der Zeit, als sie als 25-jährige Studentin in Zagreb, der Hauptstadt von Kroatien lebte. Bei einer Gelegenheit hörte und verstand sie zum ersten Mal, dass Gott durch seinen Sohn Jesus mit allen Menschen eine Beziehung aufbauen möchte. Der Moment, als sie diese Wahrheit annahm, nach der sie so lange gedürstet hatte, veränderte alles. Sie entschloss sich, diesem faszinierenden Jesus nachzufolgen, und begann damit ein neues Leben!

Aus ihren Worten und Gesten, aus ihrem Lächeln und ihrer Liebe für ihre Familie und die Menschen um sie herum, aus den Geschichten, die andere mir über sie erzählten, aus all dem konnte ich ihre Hingabe zu diesem liebenden Gott herauslesen. Es war so sichtbar in ihrem Leben und im Leben derer, denen sie begegnete. 

Als ich ihr von meinen kleinen gärtnerischen Projekten erzählte, beschrieb sie mir ihren Garten zu Hause. Ein Lorbeerbaum schien das Einzige zu sein, was dort wuchs. Im Bewusstsein, dass in diesem Garten eigentlich viel mehr Potenzial steckte, gestand sie, dass sie leider eine ziemlich schlechte Gärtnerin war. 

Foto von Marc Pascual

Dankesflüstern

In den nächsten Tagen verschlechterte sich ihr Zustand zunehmend. Zwei Freundinnen und ich wechselten uns darin ab, an ihrer Seite zu bleiben, bis ihre Familie für einen letzten Abschied anreiste. Sie litt unerträgliche Schmerzen und, obwohl sie nichts außer einiger Heidelbeeren am Tag zu sich nahm, war ihr ständig übel.

Häufig schien es nichts zu geben, was wir für sie tun konnten, als zu beten. Ich erinnere mich an einige der Gebete, die sie in ihrer Qual betete: “Dein Wille geschehe, Vater”, “Oh, Herr, erbarme dich” und “Dir sei alle Ehre, mein Gott”. Und jeder Abschied von ihr war begleitet von einem aufrichtigen “Dankeschön, von ganzem Herzen!”. 

In einer Lage in der andere verzweifelt wären oder Gott verflucht hätten, sich beklagt hätten oder Bitterkeit zugelassen hätten, zeigte meine liebe Freundin Dankbarkeit, selbst für die kleinsten Freundlichkeiten. Sie behielt ihre positive Einstellung, obwohl sie in einem solchen Zustand weit weg von ihrem Zuhause war. Trotz ihres Leidens kümmerte sie sich weiterhin um andere. 

Jesu Spuren

Plötzlich verstand ich, dass diese Einstellung nicht bloß ein Zufallsprodukt war (wie gesagt, etwas wie “Zufall” gibt es nicht).

Ganz im Gegenteil: ihr Charakter war das Resultat eines Lebens voller guter Entscheidungen. Die Wahrheiten, an denen sie so festhielt, hatten ihren Charakter geformt und ihr Denken durchtränkt, in guten, wie in schlechten Tagen.

Letzten Endes hatte dies jede ihre Begegnungen mit Anderen geprägt. Es hatte Segen über das Leben vieler gebracht – ja, auch über mein Leben, selbst in den allerletzten Tagen ihres Lebens. Nach den Worten ihres Mannes, hat sie “Jesu Spuren im Leben vieler hinterlassen”. 

Eine ausgezeichnete Gärtnerin

Als ich sie dann am nächsten Tag sah, sagte ich zu ihr:

“Du behauptest, eine schlechte Gärtnerin zu sein. Ich glaube, du liegst falsch. Du bist eigentlich eine ausgezeichnete Gärtnerin! Du hast so viele gute Samen gesät in dein Leben, und in das Leben anderer!”.

Das biblische Prinzip, dass man erntet, was man sät, erwies sich als wahr, direkt vor meinen Augen.

Wenn du Dankbarkeit säst, erntest du ein Leben voll Zufriedenheit und Freude.

Wenn du Vertrauen und Geduld säst, erntest du gute Beziehungen.

Wo wäre das offensichtlicher, als gerade in den dunklen Momenten unseres Lebens, wenn wir alt oder krank sind? Einige Dinge, für die meine Freundin während der letzten 20 Jahre gebetet hatte, waren endlich in Erfüllung gekommen im Leben einiger ihrer Freunde, in den allerletzten Wochen ihres Lebens. Auch diese Gebete waren einige Samen, die sie ausgesät hatte!

Foto von Christian Salwa

Am Ende erfüllte sich dann der letzte Wunsch dieser versierten Gärtnerin: ihre fünf Kinder, ihren Mann, ihre Mutter und ihre Geschwister noch ein letztes Mal zu sehen. An diesem Tag ging es ihr unglaublich gut und sie konnte ihn freudestrahlend mit ihren Liebsten verbringen. Sie sangen, lachten und redeten viel. Kurz bevor ich selbst mich von ihr verabschiedete, saß sie, umgeben von ihrer Familie und in vollständigem Frieden, in ihrem Bett, und sang das wunderschöne Lied

“Mit der Kraft deiner Liebe”

Herr, ich komme zu dir,

Lass mein Herz verändert sein, erneuert

Voll von der Gnade die ich in dir gefunden habe

Herr, ich weiß jetzt, Dass die Schwächen in mir

Ausgelöscht werden durch die Kraft deiner Liebe

Halte mich, lass deine Liebe mich umschließen

Bring mich näher zu dir, 

Und während ich warte

Werde ich aufsteigen wie der Adler

Und mir dir fliegen

Dein Geist führt mich weiter

In der Kraft deiner Liebe

Herr, hebe den Schleier von meinen Augen

Lass mich dich sehen von Angesicht zu Angesicht. 

Ja, und genau das tut sie nun. Nur drei Tage später ging sie zu ihrem himmlischem Vater, an einen Ort, an dem es weder Tränen, noch Schmerz, noch Leid mehr gibt.

Auch wenn sie ohne Zweifel von ihren Lieben vermisst wird, liegt eine unerklärliche Freude in ihrem Tod.

Es war ein Weggang von einem gut gelebten Leben.

Einem Leben, in welchem viele Samen gesät wurden, die bleiben und weiter wachsen werden. Einem Leben voller Reichtümer, die ihr niemand nehmen kann. Einem Leben gegründet auf der besten Entscheidung, die man jemals treffen kann: sein Vertrauen auf Gottes Sohn Jesus Christus, unseren Retter, zu setzen. 

Zuhause. Foto von Flo Maderebner

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