Was Ist Effiziente Landwirtschaft?

von Sandstürmen und glücklichen Schafen

In einem früheren Artikel habe ich euch den schönen Bauernhof in Vietschow vorgestellt, einen Bauernhof, auf dem jedes Schaf noch zärtlich beim Namen gerufen wird und wo man die frischeste Milch und den besten Käse essen kann (sehr subjektiv gesprochen). Nun möchte ich mir die Umgebung dieses abgeschiedenen Fleckchens Erde, einer malerischen Region namens Mecklenburg, genauer ansehen. An diesem Ort spielt sich nämlich ein verstecktes Drama ab. Ein Drama, das sich an vielen Orten der Erde in ähnlicher Weise abspielt.

Gefahren auf der Straße

Ein Sandsturm auf einer Straße in Mecklenburg. Source: https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/sandsturm234_v-contentxl.jpg

Stelle dir einen warmen Sommertag vor. Du fährst durch die Landschaft, wenn du plötzlich in einen Sandsturm gerätst. Eine riesige Sandwolke umhüllt dich, und du siehst die Straße nicht mehr! Zum Glück ist der Sturm in wenigen Sekunden vorbei und du fährst weiter… aber halt mal?!? Im Umkreis von tausenden von Kilometern findet sich hier keine Wüste, und die Sahara ist sicherlich nicht über Nacht umgezogen. Wo könnte diese Sandwolke hergekommen sein?

Ein ähnliches Szenario hat sich im Jahr 2011 in Mecklenburg, Norddeutschland, abgespielt. Der riesige Sandsturm endete tragischerweise in einer Massenkarambolage auf der Autobahn. Bei diesem Zusammenstoß von 80 Autos starben 8 Menschen und mehr als 100 wurden verletzt. Aber der Sand kam weder aus einer Wüste noch von der nahe gelegenen Küste. Er war von den riesigen landwirtschaftlichen Feldern in dieser flachen, windigen Gegend aufgewirbelt worden.

Der Schatz unter unseren Füßen

Das ist das Drama des kostbarsten landwirtschaftlichen Gutes, das wir haben, unseres Bodens. Der Boden macht es erst möglich, Nahrung anzubauen. Seine Fruchtbarkeit garantiert aber auch, dass wir dies auch in Zukunft tun können.

Der fruchtbarste Bestandteil des Bodens, der Humus oder die organische Substanz des Bodens, befindet sich meist in der obersten Schicht. Und genau dieser unverzichtbare Teil des Bodens wird bei diesen “Sandstürmen” weggeweht. Wenn der Wind stark weht (was in diesem Teil Deutschlands häufig vorkommt) und die Felder brach liegen, kommt es häufig zu Bodenerosion. In jedem Frühjahr, wenn der Mais gesät wird, kann man beobachten, wie die kostbare oberste Schicht durch Wind und Regen unwiederbringlich verloren geht.

Der Boden ist mit die Grundlage unserer Existenz.

Wessen Schuld ist diese Tragödie?

Damit Bodenerosion überhaupt passieren kann, müssen mehrere Faktoren zusammenspielen. Starker Wind oder Niederschlag, große, nicht bedeckte Felder und Gefälle in der Landschaft.

Der Hauptgrund, warum in dieser Region die Bodenerosion so dramatische Auswirkungen hat, ist die Tatsache, dass die Felder meist riesig sind. Mehrere hundert Hektar sind keine Seltenheit, und oft gibt es keine Bäume oder Sträucher dazwischen, die den Wind bremsen würden. Dadurch kann der Wind leicht an Fahrt gewinnen.

Außerdem bauen die Landwirte oft Mais an, der im Frühjahr nur langsam wächst und den Boden für lange Zeit kahl liegen lässt.

Diese Faktoren zusammengenommen ergeben die richtigen Bedingungen für einen tragischen Verlust von kostbarem, fruchtbaren Oberboden. Dauern solche Ereignisse mehrere Jahre an, sinkt die Bodenfruchtbarkeit. Langfristig bedeutet das weniger, oder irgendwann kein Ertrag mehr.

Mais wird häufig angebaut, um Rinder zu füttern. Photo by Alejandro Barón on Pexels

Erschwerend kommt hinzu, dass ein Verlust von Humus aus dem Boden auch einen Verlust von Kohlendioxid an die Atmosphäre bedeutet, da Humus viel Kohlenstoff speichert. Kohlendioxid wiederum trägt zur globalen Erwärmung und zum Klimawandel bei.

Das bedeutet aber auch, dass das Gegenteil möglich ist: dass der Boden viel Kohlenstoff speichern kann, wenn er Humus oder organisches Material enthält. Auf diese Weise kann die Landwirtschaft durch die Speicherung von Kohlenstoff den Klimawandel bremsen oder ihn durch die Freisetzung von Kohlenstoff beschleunigen.

Die Vorteile humusreicher Böden sind zahlreich, also sollten wir versuchen, so viel wie möglich in unseren Böden zu speichern, oder? Aber wie können wir das tun?

Den Boden schützen

Hier werden wir zu unserer kleinen Schafzucht inmitten dieser weiten, schönen Landschaft im Norden Deutschlands zurückgebracht. Hier weiden ca. 60 Schafe, plus Lämmer, auf 15 Hektar Weideland.

Weiden und Wiesen haben die bemerkenswerte Fähigkeit, Humus im Boden aufzubauen. Sie tun dies durch ein riesiges Netz von Wurzeln. Durch das ständige wachsen und absterben der Wurzeln, von Frühjahr bis Winter, Jahr für Jahr entsteht eine Menge Humus im Boden. Auf diese Weise können Weiden sogar noch mehr Kohlenstoff speichern als Wälder!

Der Schafbetrieb in Vietschow speichert tatsächlich mehr Treibhausgase (durch den Kohlenstoff im Boden) als er produziert (durch die Methanemissionen der Tiere und die Energie, die der Betrieb verbraucht).

Weidende Schafe sind sehr gut für den Boden. Sie düngen und erhalten ihn auf natürliche Weise. Foto von Naomi Bosch

Fruchtbare Landschaften

Als ich das verstand, sah ich die schöne mecklenburgische Landschaft mit den kleinen Dörfern, verstreut zwischen riesigen Maisfeldern, plötzlich mit anderen Augen… Solch eine Landschaft ist für viele Teile der Welt typisch, vom Maisgürtel der USA bis zu den endlosen Feldern der Ukraine oder Russlands. Dies alles sind sehr fruchtbare Gebiete, die früher einmal wilde Weiden oder Prärien waren. In der Ukraine hat die Erosion den Boden in den letzten 100 Jahren etwa die Hälfte seines Humusgehaltes gekostet.

Die Frage ist, wie lange diese Gebiete noch so fruchtbar bleiben werden? Wie viele Sandstürme werden nötig sein, bis aller Humus aus den Böden verschwunden ist?

Wie immer ist die Sache nicht so einfach. Die Landwirte hier haben so große Felder, weil die Kommunisten in Ostdeutschland so genannte LPGs eingeführt haben. Das sind landwirtschaftliche Betriebe, in denen mehrere Betriebe in einem großen Betrieb zusammengefasst wurden.

Auch die Agrarpolitik der Europäischen Union stimuliert durch ihr Subventionssystem eine solche Großlandwirtschaft. Die Landwirte erhalten Subventionen, die sich nach der Anzahl der Hektar richten.

Mehr Hektar bedeutet mehr Geld. Und das wiederum führt dazu, dass immer weniger Landwirte immer mehr Land bearbeiten.

Es ist nicht so, dass die Landwirte faul sind oder ihren Boden nicht erhalten wollen. Aber die Rahmenbedingungen machen dies zu einer unmöglichen Aufgabe. In dem engen Zeitrahmen für die Aussaat von z.B. Zwischenfrüchten können sie unmöglich alle ihre Felder mit den begrenzten Arbeitskräften gleichzeitig bearbeiten. Somit bleiben viele Felder über den Winter brach liegen. Die typischen Bewirtschaftungsdimensionen in Mecklenburg sind 4 Landwirte pro 1000 Hektar.

Das ist “effiziente” Landwirtschaft – große Felder, wenig Beschäftigte, gute Ernten, effiziente Maschinen.

Was ist wahre Effizienz?

Im Fall der Schafzucht in Vietschow arbeiten zwei Personen auf 15 Hektar Land und produzieren mit ihren 60 Schafen 10 000 kg Milch in einem Jahr. Die typische Betriebsgröße in Mecklenburg sind 4 Landwirte, die 1000 Hektar bearbeiten. 1000 Hektar Mais können jährlich etwa 1000 Kühe ernähren, die jede (!) jeweils 10 000 kg Milch pro Jahr produzieren.

Doch das Wissen um die oben genannten Umweltauswirkungen der großflächigen Landwirtschaft, insbesondere des Maisanbaus, ändert das Bild schlagartig.

Eine Weide mit einem Maisfeld im Hintergrund. Foto von Naomi Bosch

Was ist also effizienter? Während viele diese winzigen, “ineffizienten” Betriebe wie den Schafbetrieb in Vietschow belächeln würden, ist es interessant, die Dinge in die Perspektive zu rücken. Im Durchschnitt braucht der Schafzüchter nur 7,5 Hektar, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, während der Großbauer 250 Hektar braucht, um das gleiche zu tun. Hinzu kommt die Umweltbilanz beider Systeme, gemessen an den Treibhausgasen, die sie speichern oder produzieren.

Schwaz-weiß, oder…

Ich habe nun zwei Extrembeispiele (Groß- und Kleinbetrieb) verglichen, um dich zum nachdenken zu bringen, was effiziente Landwirtschaft wirklich bedeutet. Ich glaube aber nicht, dass es einen “richtigen” und einen “falschen” Weg gibt, denn das Leben ist viel zu komplex für solche Vereinfachungen… Es gibt so viele Möglichkeiten, Landwirtschaft zu betreiben, so viele spannende Optionen für den Aufbau einer nachhaltigen Zukunft auf unserem Planeten.

In vielen Teilen der Welt ernähren wir uns heute durch intensive, großflächige Landwirtschaft. Aber der Preis für diese Art von Landwirtschaft könnte zu hoch sein. Es ist der Preis unseres kostbarsten Gutes: fruchtbarer Boden und eine intakte Umwelt. Das können und müssen wir besser machen.

Die Landwirtschaft der Zukunft muss sich überlegen, welche Auswirkungen sie auf unsere Umwelt und auf uns alle letztlich hat. Und sie wird intelligente Lösungen für die Probleme brauchen, die wir angesichts einer ständig wachsenden Bevölkerung auf der Erde haben.


Durch meinen Blog hoffe ich, diese Art von intelligenter, nachhaltiger Landwirtschaft zu inspirieren. Oder, wie ich es gerne nenne: Plentiful Lands (reiche, blühende Landschaften). Es gibt viele Möglichkeiten, eine solche Landwirtschaft zu unterstützen. Finde auf meinem Blog heraus wie!

3 thoughts on “Was Ist Effiziente Landwirtschaft?

  1. … Sehr aufschlussreich, und …. angenehm zu lesen. Es ist wichtig, dass mehr Menschen den Wert des Bodens zu schätzen lernen. Wichtig auch, dass Beispiele aufgezeigt werden, wie frühere Gemeinschaften den Wert des Bodens verbessert und uns ein schützenswertes Erbe hinterlassen haben. Durch ein Stückchen Gartenland und dessen verantwortungsvolle Bewirtschaftung mit Humusaufbau können viele Menschen ein klein bischen dazu beitragen. Solche Beiträge regen an, die zu versuchen, und geben Wissen weiter, wie man das machen kann.

    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar! Nicht zuletzt Ihren Vorlesungen und anschaulichen Beispielen ist es zu verdanken, dass ich selbst den Boden zu schätzen gelernt habe.
      Ich hoffe auch, dass diese Beiträge viele Menschen dazu anregen, den Boden unter Ihren Füßen mit neuen Augen zu sehen und ihn ein kleines Stückchen besser zu hinterlassen. Denn der Boden ist letzten Endes Lebensgrundlage für uns alle.

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